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«Es gab Standardverordnungen, dadurch konnte man die komplexe Situation mit wenig Personal meistern»

Ein Gespräch mit Irene Hasler, SGI Ehrenmitglied, ehem. Leiterin Pflege Intensivstationen USZ

'Als ich angefangen habe, wenige Jahre nach der SGI Gründung gab es bereits eine vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK anerkannte Weiterbildung Intensivpflege. Das war ein Meilenstein meiner Vorgängerinnen. Aber es gab nur medizinische Fachthemen, keine Pflegethemen. Die Pflege musste man sich auf der Station aneignen. Zunächst war man ‚Lernende‘; auf meinem Namensschild stand nach Abschluss der Weiterbildung ‚Krankenschwester‘, dann ‚Krankenschwester Intensivpflege‘. Die Weiterbildung wurde dann nach und nach bis zur eidgenössischen Prüfung professionalisiert. Heute beendet man die Weiterbildung als ‚diplomierte Expertin / diplomierter Experte Intensivpflege Nachdiplomstudium HF‘.

Wir arbeiteten damals auf einer umgebauten Bettenstation. Die ersten Beatmungsgeräte waren undenkbar riesig. Monitore gab nicht für jeden Patienten. Anders als heute war das meiste Material kein Eimal-Material. Wir arbeiteten mit Glasflaschen, mussten Material zusammenstecken und sterilisieren, das war recht aufwendig. Ich war zeitweise die einzige Ausgebildete mit 6 Lernenden und 12 Patientinnen und Patienten auf der Station. Das hat funktioniert, weil, und das ist ein wesentlicher Unterschied zu heute, Vieles schematisiert war. Es gab Standardverordnungen, die man anwenden und kontrollieren musste. Dadurch konnte man mit wenig Personal die komplexe Situation meistern. Für die Patientinnen und Patienten war das natürlich nicht für alle gleich gut. Heute ist die Pflege individuell angepasst.

Der Assistenzarzt, der auf die Station zugeteilt wurde, hatte oftmals vorher noch keine Intensivpatientin / keinen Intensivpatienten und kein Beatmungsgerät gesehen. Im Hintergrund war ein Oberarzt verantwortlich, die Anästhesie war zuständig für die Beatmung. Das Pflegepersonal war damals in einer starken Position, weil wir uns mit den Geräten und Verfahren auskannten. Die Weiterbildung in der Intensivmedizin entwickelte sich erst später.

Der Kernpunkt auf den Intensivstationen ist die Teamarbeit. Die Teamarbeit auf der IS unterscheidet sich von anderen Stationen dadurch, dass wir 365 Tage 24 Stunden zusammenarbeiten. Mögliche Konflikte im Team müssen gelöst werden. Die Arbeit kann nur gemeinsam geleistet werden und darum schätzen wir uns gegenseitig. Besonders wertvoll in den Teams sind die Pflegeassistentinnen / -assistenten. Sie haben spezialisiertes Wissen und Fähigkeiten, die die Abläufe auf der Station unterstützen. Sie werden viel zu wenig erwähnt.

Entwicklung der Pflege

Was sich über die Zeit massiv verändert hat, ist die Pflege an sich. Lange hat es auch auf den Intensivkongressen keine Pflegethemen gegeben. Die Pflege ist erst in den 80er Jahren aufgenommen worden. Später konnte die Pflege die ersten Abstracts einreichen, es entstand die Entwicklung der Pflegeforschung.

Angehörige waren in der Pflege auch damals wichtig. Allerdings gab es nur zweimal eine halbe Stunde Besuchszeit, sehr strikt geregelt; man hatte das Gefühl, die Patientinnen und Patienten gehören jetzt dem Spital. Heute haben die Angehörigen einen anderen Stellenwert, das hat sich auch während der Pandemie gezeigt. Das Gespräch mit den Angehörigen ist besonders wichtig bei Patientinnen und Patienten, die im künstlichen Koma liegen. Wir wissen ja nichts über ihren Charakter und über sie als Menschen. Während der Besuchszeiten erfahren wir von den Angehörigen mehr über den Patienten / die Patientin und können ihn oder sie in der Aufwachphase persönlicher ansprechen. Ein wichtiges Bindeglied.

Vertretung in der SGI als interprofessionelle Gesellschaft

Relativ früh schon haben sich die Kader und Schulleiterinnen Intensivpflege zu einer Gruppe vereinigt. Aus dieser Gruppe ist später die Schweizerische Interessengemeinschaft für Intensivpflege IGIP entstanden, die dann allen Intensivpflegenden offen stand.

Als ich ein ausserordentliches Mitglied der früheren SGI geworden bin, brauchte es noch die Empfehlung zweier ordentlicher SGI Mitglieder aus der Ärzteschaft, um als Pflegende aufgenommen zu werden. Das war ein richtiger Staatsakt. Nach der Fusion von IGIP und der ehemaligen SGI ist die Gesellschaft heute interprofessionell. Und der Clou ist, dass beide Berufsgruppen gleichberechtigte Partner in der Gesellschaft sind.

Mehr Freiraum für junge Pflegefachpersonen

Die Pandemie hat vieles Schwierige gebracht. Positiv war allerdings: die Intensivmedizin ist öffentlich geworden. Das ist eine Chance, sowohl die Arbeitsbedingungen, Löhne, aber auch den Stellenwert des Berufes innerhalb der Spitäler zu verbessern.

Allerdings geht es aus meiner Sicht nicht darum, mehr Fachpersonen auszubilden, vielmehr sollte man sich überlegen, wie man die ausgebildeten Fachkräfte im Beruf halten kann. Den Beruf ergreifen junge Menschen, sie sind begeistert und motiviert, aber sie brauchen Freizeit und Freiraum, sonst können wir sie nicht halten. Es braucht gute Angebote. Personen, die ausgestiegen sind, kommen in den hoch komplexen Bereich meist nicht zurück. Die Personen, die jung ihr Pensum reduzieren, stocken dies mit 40 oder 45 Jahren oftmals wieder auf.

Zum Schluss möchte ich betonen, dass ich ganz stolz darauf bin, wie sich die SGI und die Zusammenarbeit in der SGI entwickelt haben und darauf, dass ich schon so lange in der SGI mitarbeiten darf.'

Irene Hasler
SGI Ehrenmitglied, ehem. Leiterin Pflege Intensivstationen USZ